Sehr geehrte Damen und Herren, verehrtes Publikum, liebe Freunde und Unterstützer unseres Orchesters, wir laden Sie herzlich zur neuen Konzertsaison der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach ein.
Mit einem neuen Spielzeit-Motto, durchaus auch ein wenig rätselhaft, präsentiert sich die Titelseite unseres diesjährigen Spielzeitheftes. Im antiken Griechenland entstand die Lehre, nach der alle materiellen Dinge aus der Mischung der vier Elemente – Erde, Feuer, Wasser und Luft – entstünden. Es wurde auch über ein subtiles fünftes Element gesprochen. Dieses nannte man „die Quintessenz“. Der Begriff fand seinen Weg über das lateinische „quinta essentia“ (das fünfte Seiende) ins Deutsche und entstand bei der Übersetzung der Lehren Aristoteles’. Die vier irdischen Elemente sind nach Aristoteles veränderlich und können sich auch ineinander umwandeln. Im philosophischen Kontext meint die „quinta essentia“ das ursprüngliche Element – den himmlischen Äther, unwandelbar und zeitlos, aus dem alle anderen Elemente entstanden seien. Die übertragene Bedeutung des fünften Elements als „geistiger Grundstoff“ setzte im 17. Jahrhundert ein. Ähnlich wird auch Musik als geistige Nahrung, als göttliche Gabe beschrieben. Können wir uns die Welt ohne Musik vorstellen?
Bereits im Mutterleib nimmt der Fötus den mütterlichen Herzschlag als eine Art erste akustische Melodie wahr, die sich auch später auf das Neugeborene beruhigend auswirkt. Musik bahnt sich ihren Weg direkt in die Gefühlswelt, berauscht unsere Sinne und lässt unbewusst in uns Emotionen entstehen, ohne dass wir darauf Einfluss ausüben könnten. Die Wirkung der harmonischen Klänge auf den Menschen ist wissenschaftlich belegt. Doch auch ganz ohne Wissenschaft erkennen wir instinktiv, welche Wirkung Musik im Körper und dort vor allem im Gehirn auslöst. Oft wird sie als Balsam für die Seele definiert, als ein Element, das heilende Kraft besitzt, geistige und soziale Fähigkeiten fördert, dem Leben oft eine neue Zielrichtung gibt.
Musik ist eine unendliche Inspirationsquelle, eine universelle Sprache, die Quintessenz unseres Daseins – und damit seit Jahrtausenden ein unerschöpflicher Kosmos, welcher die Entstehung von Neuem fördert und damit unser gesamtes Leben prägt. Das momentane Weltgeschehen beeinflusst das Leben unserer Gesellschaft und ihre emotionale Welt. Wir haben erlebt, wie wichtig die Schaffung lebendiger Kunst für unsere Gesellschaft ist. Daher schätze ich es sehr, dass wir nach so langer Zeit bald die Türen unserer Konzertsäle für Sie öffnen können, wenn auch (noch) im eingeschränkten Modus.
Wie für das öffentliche Leben insgesamt, standen auch für unser philharmonisches Kollektiv die vergangenen Monate im Zeichen vielfältiger Veränderungen, aber auch neuer Ideen. Wir durchleben außergewöhnliche Zeiten – und dies erfordert außergewöhnliches Engagement. Seit dem ersten Ausbruch des Coronavirus Anfang des Jahres 2020 hat mich die Energie und Leidenschaft unserer Musikerinnen und Musiker für ihren Beruf sehr bewegt. Wir waren an vielen Orten mit kleineren Ensembles unterwegs und haben trotz der schwierigen Situation mit unserer Musik viele Menschen in Westthüringen erreicht. Das war uns wichtig! Denn ein Konzert ist viel mehr als nur eine Freizeitbeschäftigung. Als Kulturinstitution stellen wir uns immer wieder der Herausforderung, mit unseren Aktivitäten im Gesamtkontext der gesellschaftlichen Prozesse zum Dialog anzuregen und zur Verständigung beizutragen. Deshalb legen wir großen Wert darauf, den Menschen in Thüringen mit einem breiten Konzertangebot an vielen Orten auch außerhalb von Konzertsälen einen Raum für Begegnungen zu bieten und mit unserer Musik zum Element des alltäglichen Lebens zu werden.
Wie in den Vorjahren wird auch in der Saison 2021/2022 unser Chefdirigent Markus Huber einen wesentlichen Teil der Konzerte mit seiner künstlerischen Handschrift prägen. Im Rahmen der aktuellen Konzertsaison haben wir gemeinsam erneut ein reichhaltiges Programmangebot an außergewöhnlichen Konzerten für Sie zusammengestellt. Gemeinsam mit Ihnen begrüßen wir den Ausnahmekünstler Avi Avital, unseren „Artist in Residence“, aufs Herzlichste. Der aus Israel stammende charismatische Mandolinenvirtuose wird in insgesamt sechs Konzerten mit der Thüringen Philharmonie auftreten. Dabei wird er Sie mit seinem faszinierenderen Spiel und mit seinem breiten Repertoire aus unterschiedlichsten Epochen und Stilen beeindrucken.
Eine Premiere feiert unsere Philharmonie mit der Einladung des in den USA lebenden Komponisten Avner Dorman als „Composer in Residence 2021–2022“. Die Musik des gebürtigen Israeli, der schon mit zahlreichen Preisen geehrt wurde, speist sich aus einer Vielzahl kultureller und historischer Einflüsse. Seine unverwechselbare künstlerische Sprache und stilistische Breite stellen wir Ihnen im Laufe der kommenden Spielzeit mit Uraufführungen von zwei neuen Orchesterwerken sowie vier weiteren Kompositionen vor. Insbesondere freuen wir uns auf die Uraufführung des unserer Philharmonie gewidmeten Werks „Das Fünfte Element“ im Mai 2022. Dabei diente dem Komponisten unser Spielzeitmotto als inspirierende Quelle. Avi Avital und Avner Dorman verbindet nicht nur ihre gemeinsame Heimat Israel. Zwischen den beiden Künstlern besteht seit vielen Jahren auch ein enger musikalischer Dialog. Für seine Aufnahme des für ihn von Avner Dorman geschriebenen „Mandolin Concerto“ wurde Avi Avital 2010 in der Kategorie „Bester Instrumentalsolist“ für einen Grammy nominiert. Und mit genau jenem Konzert und den beiden Künstlern eröffnen wir unsere große Sinfoniekonzertreihe in Gotha und Eisenach. Neben Avi Avital und Avner Dorman konnten wir mit Ragna Schirmer, Midori Seiler, Alexander Markov, Reinhold Friedrich, Maurice Steger, Frederic Belli, Mackenzie Melemed u.a., weitere exzellente internationale Solisten gewinnen.
Unser 1. Gastdirigent Charles Olivieri-Munroe begleitet uns bereits im dritten Jahr. Zu den Höhepunkten der neuen Spielzeit wird die deutsche Erstaufführung seiner „Genoveva-Fantasie“ gehören, einer Suite für Sopran und Orchester aus der Oper „Genoveva“ von Robert Schumann. Den 70. Geburtstag des deutschen Komponisten Wolfgang Rihm feiern wir im März mit seiner Komposition „Marsyas“, einer Rhapsodie für Trompete mit Schlagzeug, gespielt vom namhaften Trompeter Reinhold Friedrich.
Zum Profil der Thüringen Philharmonie Gotha-Eisenach gehört neben dem Fokus auf die „Neue Musik“ auch die sinfonische Orchesterliteratur vorangegangener Epochen. Es war mir deshalb ein besonderes Anliegen, die im Jahr 2020 entstandene Barockreihe „Vier Jahreszeiten“ mit mehreren besonderen Konzertprojekten an Originalorten fortzusetzen. Diese Reihe beeindruckt durch die Auftritte von exzellenten Spezialisten auf dem Gebiet der historisch informierten Aufführungspraxis. Erleben Sie unser Barockensemble im intensiven musikalischen Gespräch mit Midori Seiler, Michael Hofstetter, Maurice Steger, Terry Wey, Sigrid T’Hooft und vielen weiteren prominenten Gästen. Vielfältig und geschichtsträchtig sind auch die Orte, welche zu Aufführungsstätten werden: ob die Eisenacher Georgenkirche mit dem Taufstein Johann Sebastian Bachs, die Gothaer Margarethenkirche, der Palas der Eisenacher Wartburg oder eine der ältesten Barockbühnen der Welt, das Conrad-Ekhof-Theater im Gothaer Schloss Friedenstein.
Als musikalischer Partner des Landestheater Eisenach ist unsere Philharmonie bei sechs unterschiedlichen Ballett- und Musiktheaterproduktionen zu erleben. Darüber hinaus delegieren wir im Rahmen der Kooperation unsere Musiker auch zu mehreren Produktionen des Erfurter Theaters. Neben zahlreichen Auftritten innerhalb unserer großen Konzertreihen und den langjährigen Kooperationen sind inzwischen viele neue Projekte im regionalen Raum entstanden. Ein Beispiel dafür ist unsere Reihe „Philharmonische Konzerte an besonderen Orten“. Sie gilt als erfolgreiches Resultat einer engen Partnerschaft unserer Philharmonie mit dem „Interkommunalen Kulturnetzwerk Wartburgregion“ und einer hervorragenden gemeinsamen Zusammenarbeit mit Kulturakteuren sowohl an den Standorten Gotha und Eisenach als auch in unseren beiden Landkreisen. Die neue Aufgabenvielfalt des Orchesters, dessen frischer Esprit und empathische Dynamik, traf überall auf großen Zuspruch und erzeugte positive Resonanz. Gemeinsam mit unserem philharmonischen Kollegium denken wir gern an die beeindruckenden musikalischen Erlebnisse der vergangenen Spielzeit zurück.
Wir danken Ihnen für Ihre Treue und Unterstützung und wünschen Ihnen und uns, dass die kommenden Konzerte für uns alle in den nächsten Monaten erneut zum Raum der Begegnung werden. Wir heißen Sie herzlich willkommen und freuen uns, Sie bei unseren Konzerten begrüßen zu dürfen! Lassen Sie sich begeistern, anregen und inspirieren von unserer Musik – der Quintessenz unseres Daseins – und vom fünften Element!